Lübeck, Juni 2009


Schwertkampf-Großmeister zu Gast in Lübeck


Bitte nicht zu Hause nachmachen, denn hier sind Profis am Werk: Großmeister Bill Newman (2.li.) und der Lübecker Michael Welge (2.re.) präsentieren Techniken des Schwertkampfes.

Lübeck - Escrima ist Sport und Kunst - in Lübeck lehrt Michael Welge den Dreiklang aus Selbstverteidigung, Wettkampf und mittelalterlichen Waffen. Verletzungen gibt es fast nie. Jetzt war ein prominenter Besucher da.

Ein warmer Sommertag in Lübeck. Vielleicht ein Stadtbummel oder einfach im Café sitzen - so stellt man sich das vor. Das gilt aber nicht für alle Lübecker. Im Hof der Remise, dort wo kalte Getränke gereicht werden, ertönen im Hintergrund immer wieder diese intensiven Hämmer-Geräusche. Oben im dritten Stock, wo die Fenster weit geöffnet sind, wird hart gearbeitet. 30 Männer und Frauen haben sich gegen Entspannung und für eine sportliche Herausforderung entschieden.

Gastgeber in der Wing Tsun-Schule ist der Lübecker Michael Welge. Er nimmt an diesem heißen Tag Escrima-Prüfungen für Schüler- und Lehrergrade ab. Doch zuvor gibt es quasi zur Einstimmung eine Sonderdarbietung über den Dächern Lübecks. Herrlich der Ausblick auf die Marienkirche. Doch dafür haben die vier mit echten, aber stumpfen Schwertern ausgerüsteten Männer keinen Blick. Großmeister Bill Newman (10. Meistergrad), Michael Welge (3. Lehrergrad) und ihre Mitstreiter Bernd Hoyer (5. Meistergrad) und Sascha Böhringer (3. Lehrergrad) geben eine kleine Kostprobe ihrer Kunst im Umgang mit mittelalterlichen Waffen. Gekonnt schwingen sie Einhänder, Zweihänder, Schlachtschwerter und sogar das imposante Stockschwert (Gleve). Schwerpunkt sind hier Konterschläge gegen gezielte Angriffe. Großmeister Bill Newman erläutert: "All das, was wir hier zeigen, ist zigfach geübt. Wir achten pedantisch auf die Sicherheit. Bei mir hat es daher noch nie schwerwiegende Verletzungen gegeben." Bei der Dynamik und dem Tempo, wie die Schwerter aufeinandertreffen, sich die Körper der Kämpfer bewegen und immer wieder gewandt drehen - ist dies kaum vorstellbar. Doch jede Aktion sitzt präzise.

Zurück zur Normalität, zurück zur Basis von Escrima, zurück zu den Schülern, die nicht mit Schwertern, sondern mit Rattan-Stöcken ausgestattet verschiedenste Techniken und Bewegungsabläufe üben. Sie werden dabei immer wieder von Michael Welge, aber vor allem auch von "Master Bill" angeleitet oder auch korrigiert. Der Besuch von Großmeister Bill Newman, einem 69-jährigen Engländer mit ausdrucksstarken Gesichtszügen, ist eine große Ehre. "Master Bill ist der Kopf unseres Escrimas, er ist ein echter Pionier in Sachen Escrima. ihm haben wir unheimlich viel zu verdanken", erklärt Michael Welge, der im Zivilleben als Sport- und Englischlehrer am Katharineum arbeitet. So wie sein englisches Vorbild und Lehrer Großmeister Bill Newman diesen vielseitigen Sport zu einem komplexen Unterrichtssystem (Schwerpunkte Selbstverteidigung, Wettkampf, Umgang mit mittelalterlichen Waffen) entwickelt und weltweit verbreitet hat, so intensiv ist auch der Lübecker aktiv - allerdings vornehmlich in Norddeutschland. Sein breites Spektrum umfasst Schul-AGs, Selbstverteidigungskurse für Frauen, die allgemeine Ausbildung, Escrima-Vorführungen (wie auf Schloss Langenzell bei Heidelberg) und sogar die Schulung von Polizisten (wie auch in Lübeck und Eutin) bis hin zu Sondereinheiten wie unter anderem die SEKs, die GSG 9 oder auch Cobra aus Österreich. Welge war es auch, der 1989 in Belfast die erste Wing Tsun-Schule Nordirlands eröffnete - die es sogar noch heute unter anderer Führung gibt.

Viele Jahre später zählt der 42-Jährige zu den Lehrern, zu den Rittern über den Dächern Lübecks, die mit ihrer Kunst ihre Schüler begeistern und in ihren Bann ziehen.

Text und Fotos Peter Mantik Lübecker Nachrichten