August, 2009 Escrima
Sommercamp 2009, Carboneras, Spanien
"Kill 'em
but don't hurt 'em!", dieser prägnante Satz war auch in diesem
Jahr des Öfteren von Großmeister Bill Newman zu hören.
Was sich im ersten Moment martialisch und widersprüchlich zugleich
anhört, bringt die Basics des Newman-Escrima auf den Punkt: "Töte
Deinen Gegner aber verletze Deinen Trainingspartner nicht". Will
sagen: "Schlage immer zum Ziel, aus der richtigen Distanz, im richtigen
Moment und mit genug Kraft. Überrolle Deinen Gegner und ersticke
so seine Kampfeslust bereits im Keim, ohne dabei deine Balance zu verlieren."
Kurz gesagt "Geh jagen!". Die Escrimadores aus Deutschland (Eppingen, Ludwigshafen und Darmstadt), die nicht mit dem Auto anreisten, hatten zwar unabhängig voneinander ihre Flüge gebucht, saßen aber alle in aufeinanderfolgenden Reihen im gleichen Flieger. Die gute Laune für den Flug war somit vorprogrammiert, auch wenn Iberia nicht unbedingt die geräumigsten Flieger nutzte.
Da es in dieser Zeit keine Direktflüge nach Almeria gab, hatten wir einen Zwischenstopp in Madrid. Richtig, Madrid-Barajas, flächenmäßig der zweitgrößte zivile Flughafen der Welt. Ankunft an Terminal 4, Weiterflug von Terminal 4, somit sollte die Umsteigpause von einer Stunde ausreichend sein. War sie auch, denn Iberia-Airline offerierte ihr erstes "Geschenk" an uns in Form einer knapp 1,5-stündigen Verspätung unseres Anschlussfluges nach Almeria. Macht aber nix, alle sind im Urlaub, es gab Fastfood und Tapas zur Auswahl, um den kleinen Hunger zu stillen. Und an einem Terminal von 470.000 qm gibt es schließlich auch genug zu sehen.
Nächster Stopp: Almeria. Kleiner Vorgriff: Die Hafenstadt in der autonomen Region Andalusien im Süden Spaniens mit knapp 190.000 Einwohnern bot einigen von uns im Anschluss an den Lehrgang wunderschöne An- und Aussichten. Beispielsweise in der 1524 gebauten Kathedrale, oder der 955 erbauten Alcazaba, eine, auf einem Hügel gelegene, maurische Festung, von der aus man die ganze Stadt und den Hafen überblicken kann.
Nach der Ankunft im Aeropuerto de Almeria und der Gepäckaufnahme ging's dann mit zwei Taxen Richtung Carboneras. Die etwa 45 minütige Fahrt stellte sich am Ende für die beiden Taxifahrer, die leider kein Deutsch, kaum Englisch, dafür aber perfektes Maschinenpistolen-Spanisch sprachen (das uns während des Fluges bei der netten Stewardess schon beeindruckt hatte), verwirrender heraus als wir es durch deren Sprachfähigkeiten waren: Saßen in der Zweierkolonne doch drei Gruppen von Leuten, die drei unterschiedliche Ziele hatten! Dank ausgeprägter Körper- und Gebärdensprache, die auch Escrimadores gut beherrschen, waren aber bald alle an ihrem Ziel. Auspacken, raus aus den langen Klamotten, frisch machen, rein in die kurzen Klamotten und ab zum ersten gemeinsamen Abendessen, noch ohne GM Bill, dafür aber mit Meister Bernd. Carboneras zählt mit seinen knapp 7.000 Einwohnern zu den eher überschaubaren Küstenstädtchen. Die Strandpromenade wäre bequem in 20 Minuten abzulaufen, was aber Dank der unzähligen Tapas-Bars nicht wirklich erstrebenswert ist. Leider fehlte uns am ersten Abend noch die Erfahrung von Sifu Javier Gutierrez, der als Organisator vor Ort, sich nicht nur um die Trainingshalle, sondern auch um unser leibliches Wohl, in Form von hilfreichen Tipps, kümmerte. Es kam wie es kommen musste: Erster Abend, erstes Essen, erster (und letzter) Reinfall. Jetzt konnte es nur noch bergauf gehen und das tat es auch. Tags drauf gab Sifu Javier beim Mittagsbierchen, begleitet von leckeren Tapas , viel Wissenswertes über Carboneras, die einheimische Küche und die spanische Lebensart zum Besten. Wir fühlten uns gewappnet! (Merke: Ein Deutscher trinkt sein Bier zwar gerne aus großen Humpen, aber wenn es zu jedem Bier genau eine Tapa gibt, nimmt man auch gerne mit kleineren Gläschen vorlieb! Wohlgemerkt, die Tapas sind eine gratis Beigabe zum Bier, hier Cerveza genannt, und werden bei Verzicht nicht herausgerechnet. Eine einfache Rechnung, die uns niemand zweimal erklären musste.) Mittlerweile haben wir Montag, den 10.8. und viele von uns haben sich schon recht gut akklimatisiert. Ausschlafen bis 10/11 Uhr war an diesem Morgen jedoch nicht möglich, da um 7 Uhr schon die erste Escrima-Einheit über den Dächern von Carboneras statt fand. Anschließend ein wenig Meer und Strand, ein paar Cervezas mit Tapas und schließlich Siesta, die traditionelle spanische Mittagsruhe. Eine sehr angenehme Erfindung, denn selbst am Meer bei ständiger Brise kann die Mittagshitze unerträglich werden. Aber nach einem ein- bis vierstündigen Nickerchen kann man umso erfrischter in den Rest des Tages starten. Und der Rest dieses Tages war umso erfreulicher, als dass GM Bill in Carboneras ankam und sich direkt zu einem kleinen Bierchen an einer gemütlichen Strandbar zur Gruppe gesellte. Er ist noch immer "ein Großmeister zum Anfassen", auch nach so vielen Jahren... Dann kam der Dienstag. Nach orts- und landesüblichem Ablauf der ersten Tageshälfte war es ab 18 Uhr endlich so weit, die erste Session stand bevor. Die Befürchtungen, die Hitze könnte uns einen Strich durch die Rechnung machen, erwiesen sich als unbegründet. Erneut hat Sifu Javier souverän vorgesorgt und die Trainingshalle des lokalen Handballvereins organisiert. Eine hohe Konstruktion mit gewölbtem Dach und an drei Seiten offen. Wind, Tageslicht und Schatten schienen das Training in der spätnachmittäglichen, spanischen Sonne somit zum Spaziergang für die knapp 15 lernbegierigen Escrimadores aus Deutschland und Spanien zu machen.
Die Ziel- und Schlagübungen (1/4 mit rechts, dann Wechsel auf links, 1/4 und später in allen Variationen mit Stock, Messer, Doppelstock) setzten sich auch am zweiten Tag fort, aufgelockert durch Sparrings- und Freikampfübungen, meistens durchgeführt von Meister Bernd. Die Techniker-Grade schwitzten währenddessen mit Übungen und Anwendungen zu Schwert/Buckler. Am Mittwochabend gab es das erste gemeinsame Abendessen mit GM Bill und seiner Frau Helen, organisiert von Sifu Javier in einer kleinen, gemütlichen Eckkneipe am Nordostende von Carboneras. Serviert wurden an einer langen Tafel zwei riesige Pfannen mit frischer Paella . Dazu wurde ein erfrischendes Getränk, genannt "tinto de verano" (eine Mischung aus Rotwein, Sprite und Eiswürfeln) gereicht, sowie viel Salat und frisches Brot. GM Bill genoss wie immer die gesellige Runde und erzählte Spannendes und Heiteres aus der Gründungszeit des Newman-Escrimas sowie von seinen Erlebnissen im Computerzeitalter.
So leger der Mittwoch Abend endete, so entspannt ging es in den Donnerstag Nachmittag mit einer kleinen Runde Boccia zu der sich auch GM Bill gesellte, bevor er eine Runde in Carboneras' Brandung schwimmen ging.
Schließlich kam er dann, der letzte Tag und es sollte eine wirklich interessante Session werden. Sichtlich entspannt vom spanischen Klima und der lokalen Küche, holte GM Bill am Freitag zum großen Rundumschlag aus: Von den Basics (Zielen und Kopf in Sicherheit bringen) über Single-Stick, Sparring Sequenzen und 1/4/1/4 sowie 1/4/2/3 Drills, gab es fast im Minutentakt etwas Anderes. Es zeigte sich erneut: Newman-Escrima besteht zwar nur aus fünf Schlägen, aber die Kombinationsmöglichkeiten sind schier unendlich! Am Ende dieser Session blieb eine Gruppe geschlauchter aber glücklicher Escrimadores zurück, die in den letzten vier Tagen viel Kämpferisches, Kulturelles und Kulinarisches erlebt und gelernt hatten. Natürlich ließ unser Großmeister es sich auch hier nicht nehmen, nach dem Lehrgang für unzählige Fotos mit seinen zufriedenen Schülern zu posieren. Doch dies sollte noch nicht das Ende des Sommercamps 2009 sein...
Für den letzten Abend hatte sich Sifu Javier erneut etwas Besonderes einfallen lassen: Er reservierte eine Tafel in einer typischen Tapas-Bar, gelegen im Zentrum von Carboneras. Die Karte einer Tapas-Bar liest sich recht einfach, für einen Spanier. Dank der Simultanübersetzung von Sifu Javier und der frühen Lektion besser öfters kleine, statt wenig große Biere zu bestellen, konnten wir jedoch schnell etliche Varianten ausprobieren. Doch was tun, wenn der Hunger größer ist, als das Tempo, mit der die Tapas-Köche die leckeren Häppchen zubereiten können? Die Antwort heißt "Raciones", zu deutsch "Portionen". Auch die gibt es in Tapas-Bars, wenngleich sie selten bestellt werden und wenn, dann für den ganzen Tisch zum Herumreichen und Teilen. Nicht so bei einer Horde hungriger Escrima-Krieger! Schnell mussten Sifu Javier, die Einheimischen und die spanischen Touristen an den Nachbartischen lernen, dass eine "Racion" durchaus eine Portion für eine Person sein kann. Inklusive der vorausgegangenen und noch kommenden Tapas zu jedem Bierchen, versteht sich.
Erst viele Raciones und noch mehr Tapas und Cervezas später neigte sich diese gesellige Runde ihrem Ende. Da die Teilnehmer zu unterschiedlichen Zeiten und Tagen ihre Heimreise antraten, hieß es bereits hier Abschied nehmen. GM Bill verabschiedete sich persönlich bei jedem Einzelnen, was einem als Schüler nicht nur das Gefühl des Besonderen gibt sondern auch die Ehrlichkeit spüren lässt, die GM Bill in jedem Unterricht und in jeder Erzählung ausstrahlt. Ein besonderes Dankeschön gilt an dieser Stelle Sifu Javier Gutierrez, der dieses Sommercamp vor Ort organisierte und alle "Spanienanfänger" wunderbar auf Kurs brachte. Übrigens... Muchas gracias Gran Maestre Bill |